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24.01.2022 | 11:46

Es heißt Gürtel enger schnallen für die slowenische unabhängige Künstlerszene

Es heißt Gürtel enger schnallen für die slowenische unabhängige Künstlerszene

Einige der wichtigsten Organisationen der slowenischen unabhängigen Szene im Bereich der darstellenden Künste blieben bei der jüngsten Programmausschreibung für die nächsten vier Jahre ohne finanzielle Unterstützung des slowenischen Kulturministeriums, was zu stürmischen Reaktionen im Inland, aber auch auf der regionalen und internationalen Szene, deren Vertreter die Behörden dieser Tage mit Protestbriefen überschwemmen, führte. Das Kulturministerium übertrug die Zuständigkeit auf die Expertenkommission, mit dem Hinweis, dass es auch andere Ausschreibungen gebe, bei denen eine Kofinanzierung möglich sei.

Es handelt sich um eine Ausschreibung zur Auswahl öffentlicher Kulturprogramme im Bereich Musik, Intermediale, Darstellende und Bildende Kunst im Zeitraum 2022-2025, in denen Organisationen mit langer Tradition und bedeutenden Referenzen – Maska, Mesto žensk, Emanat, Delak, Nomad Dance Academy Slovenija und Gledališče Glej – ohne finanzielle Unterstützung verblieben. Obwohl sie von der Kommission gute Noten erhielten, standen Mittel nur für die Programme von acht Organisationen (Moment, Peckinpah, Bunker, Via Negativa, Flota, Španski borci-zu dt. spanische Kämpfer, Mini-Theater und Tanztheater Ljubljana) zur Verfügung, laut der Mehrheit der Reaktionen sei dies eine Folge auf die gezielte Einengung des Raums für den nichtstaatlichen Kultursektor, dessen Mittel bei der letzten Sanierung des Staatshaushalts halbiert wurden.

Die Kürzung der Unterstützung wird laut Maska nicht nur Folgen für die slowenische, sondern auch für die internationale Kulturszene haben, da es sich um Organisationen handelt, die zu den wichtigsten Schöpfern neuer Produktionen und Formate gehören. Die Nichtvergabe von Mitteln kann daher, wie Maska in einem öffentlichen Schreiben darlegte, als eine Strategie verstanden werden, den Raum für die Entwicklung professioneller Nichtregierungsorganisationen langfristig zu reduzieren, und als Fortsetzung der Strategie des Kulturministeriums Bemühungen, diesen Sektor zu degradieren und zu destabilisieren, der andererseits schon immer einer der lebendigsten und fortschrittlichsten Bereiche der zeitgenössischen Kunst war.

Den meisten abgelehnten Organisationen ist, wie sich herausstellte, gemeinsam, dass vier von ihnen das Kulturministerium verklagt hatten, als sie zuvor von der Programmförderung ausgeschlossen waren, sodass eine gerichtliche Entscheidung angeordnet hat, dass ihre Anträge erneut geprüft werden müssen. Basierend auf der neuen Bewertung der Kommission erhielten Maska und Emanat somit eine Kofinanzierung. Alle Organisationen, die das Ministerium verklagten, waren jedoch auch in diesem Jahr wieder ohne Unterstützung.

„Die Nichtfinanzierung wird zu einem Mittel der Bestrafung und Zensur der Äußerung und Schöpfung“, sagte Maska und fügte hinzu, dass abgelehnte Organisationen auch die Tatsache gemeinsam haben, dass sie sich gegenüber allen vorherigen Regierungen sozial und politisch engagierten und ihre Praktiken oft eine Überprüfung von Format und Inhalt implizieren, ein Experiment und eine Begegnung mit dem Unbekannten. „Man kann sagen, dass dies eine bewusste Zerstörung einer Gruppe von Organisationen ist, die immer wieder die Grenzen bewegen. Es ist ein Schachzug einer engstirnigen und konservativen Kulturpolitik, einer Politik des Revanchismus“, betonte Maska und erinnerte auch an die eigene reiche Geschichte.

„Wir haben uns bei unseren Aktivitäten nie auf einen engen Kunstbegriff beschränkt, sondern den Begriff der aufführenden und darstellenden Künste erweitert und neu definiert. Vor 101 Jahren erschien das erste Band der Revue Maska, das erste in Europa, das den darstellenden Künsten gewidmet war. Das Institut Maska wurde 1993 gegründet und übernahm die Herausgabe der Revue-Zeitschrift, erweiterte aber auch seine Aktivitäten auf literarische, künstlerische und pädagogische Programme, insbesondere auf die interdisziplinäre Wissensproduktion. Seit der Gründung des Instituts besteht Maskas Mission darin, einen kritischen Ansatz in zeitgenössischen künstlerischen und theoretischen Praktiken zu bekräftigen.

Collectiv Maska (Tina Dobnik, Alja Lobnik, Urška Comino, Pia Brezavšček, Nataša Božič, Aleš Mendiževec i Rok Bozobičar), photo: Asiana Jurca Avci

Die auf das Programm bezogene und finanziell leichtsinnige Zerstörung des nichtstaatlichen Sektors und das Fehlen einer Vision für die Weiterentwicklung der kulturellen und künstlerischen Produktion insgesamt, so Maska, stellen den Kern der Probleme aller nichtstaatlichen Akteure dar, sowohl für die abgelehnten, als auch für diejenigen, die bei der Ausschreibung für Kofinanzierung unterstützt wurden. Sie ist daher davon überzeugt, dass es nur im gemeinsamen Kampf möglich ist, die schal gewordene kulturelle Hegemonie zu brechen.

Gledališče Glej, das älteste unabhängige Theaterhaus Sloweniens, reagierte ähnlich und warnte davor, dass die Ergebnisse der Ausschreibung mehr als hundert Künstler und professionelle Mitarbeiter gefährden würden. Die Kürzung der Unterstützung traf sie umso mehr, als die letzten beiden Saisons aufgrund von Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus von Auftrittsabsagen und drastischen Kapazitätsreduzierungen gekennzeichnet waren.

Ohne die Unterstützung des Kulturministeriums verblieb auch die Gesellschaft Mesto žensk, eine der ersten Organisationen in Slowenien, die sich auf Feminismus und Gleichstellung der Geschlechter in Kultur und Kunst konzentriert und durch das gleichnamige Festival in Ljubljana international bekannt ist, in der seit Mitte der 90er Jahre mehr als tausend lokale und internationale Künstler und Kollektive aus allen Bereichen der künstlerischen Produktion vertreten sind.

Der Verein Asociacija, der Organisationen der unabhängigen slowenischen Kulturszene und unabhängige Künstler zusammenbringt, reagierte auch auf die Ergebnisse des Programmaufrufs des Kulturministeriums für 2022-2025 und erinnerte daran, dass es bereits 2018 nach den Ergebnissen der damaligen Ausschreibung auf eine Reihe von Mängeln hingewiesen hatte, das Kulturministerium jedoch den Mechanismus abgeschafft hatte, mit dem es möglich war, Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten vor der endgültigen Entscheidung zu klären. Somit blieb den nicht ausgewählten Ausschreibungsteilnehmern nur noch der Gang zum Gericht.

Unter Hinweis auf die drastische Kürzung der Mittel für den nichtstaatlichen Kultursektor während der letzten Neuausrichtung des Staatshaushalts verwies Asociacija auf das Problem der Verhältnismäßigkeit und Verteilung der Mittel, also der selektiven Entwicklungsorientierung bestimmter Bereiche des Schaffens.

Eine große Zahl anderer Organisationen, Künstler und Kulturschaffender drückte ihre Unterstützung für die in der Programmausschreibung abgelehnten Organisationen aus und betonte, dass sie und ihre Programme aus der slowenischen zeitgenössischen Kunstszene nicht wegzudenken sind.

Außer im Bereich der darstellenden Künste blieben auch einige namhafte Akteure anderer Sparten ohne Unterstützung, darunter die Gruppe  Laibach, die verkündete, vom Kulturministerium ohnehin nicht viel zu erwarten. Sie erwähnte, dass das Kulturministerium ihr zweimal die Gelder nicht ausgezahlt habe, die ihr während der Amtszeit der vorherigen Minister offiziell zugeteilt worden seien.

Das Kulturministerium wies die Vorwürfe von Nichtregierungsorganisationen als unbegründet zurück und erklärte, die Mittel seien im Rahmen der Ausschreibung um die Auswahl öffentlicher Kulturprogramme im Bereich Kunst für den Zeitraum 2022-2025 den am besten bewerteten Projekten zugeteilt worden. Das Ministerium erklärte auch, dass die Ausschreibung um die Programmfinanzierung nicht die einzige sei, bei dem sich NGOs bewerben könnten. Es wies auch Behauptungen zurück, dass regierungskritische Organisationen abgelehnt worden seien. Die Auflagen und Kriterien, anhand derer die Expertenkommissionen die Bewerbungen bewerteten, hätten „keine Kriterien, die in Bezug zur Weltanschauung“ der Bewerber und ihrer Programme stehen, erklärte das Ministerium.

(SEEcult.org)

Gefördert mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung 2021 des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, des Goethe-Instituts und weiterer Partner, www.goethe.de/hilfsfonds

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